Dass Schramms Texte musikalisch und malerisch
wirken, überrascht nicht, wenn man seinen Weg kennt: zunächst Klavier- und
Cembalobauer, später Studium von Grafik und Buchkunst in Leipzig. Diese
Gedichte hören sich selbst zu. Sie atmen. Und sie wissen: Jeder Klang hat ein
Verlöschen. Auch der Komponist, der in einem Gedicht auftaucht, ist nicht
zufällig gewählt:
an deren undenkbarem ende
das meer aller möglichen gedanken wartet
Schramms Sprache bewegt sich. Sie bleibt nicht
stehen, sie tastet, führt Bilder zusammen, löst sie wieder. Natur wird dabei
oft personalisiert, synästhetisch überblendet. Das Provinzielle steht der
Metropole entgegen, nicht als Rückzug, sondern als ein Ort, an dem Wahrnehmung
sich konzentrieren kann. Romantik ist hier, ja, aber als spätes Echo, wissend,
dass es spät ist.
wir legten uns in die faltbarkeit
die nicht mehr von freiheit
Die Typografie ist nicht immer konstant. Groß-
und Kleinschreibungen schwanken, vor allem am Anfang. Manchmal wirkt es wie
eine Suche, die erst nach einigen Seiten zur Ruhe findet. Vielleicht wäre hier
ein wenig mehr Einheitlichkeit hilfreich. Vielleicht gehört aber auch das
Schwanken dazu.
Der Band tritt in einen Dialog mit dem, was in
der Gegenwartslyrik selten geworden ist: ernsthafte Formsuche. Man könnte an
Marit Heuß oder Volker Sielaff denken. An eine Aufmerksamkeit, die nicht
ironisiert, nicht sentimentalisiert. Bitterblumen verweigert sich dem
„entweder oder“. Es findet eine dritte Haltung: zart, verletzlich, ohne
Schutzschild, und genau deshalb von heute.
Am Ende bleibt ein Gedicht, das sich an jemanden
richtet - oder an sich selbst:
Du suchst im Leben Stille und den Frieden
Doch auf der Suche nach den wahren Dingen
führt dich der lange Weg durch die Neurosen.
Man könnte sagen, diese Gedichte seien nicht
zeitgemäß. Und doch erinnern sie an etwas, das wir nicht loswerden: Dass
Gefühle nicht für die Oberfläche bestimmt sind. Dass nicht jeder Mensch in eine
Großstadt gehört. Dass es Orte gibt, die nicht spektakulär sind und trotzdem
nicht austauschbar.
Vielleicht ist das die eigentliche Bitterkeit
dieser Blumen: Sie wollen uns nicht trösten. Aber sie zeigen uns eine Wunde, an
der wir ohnehin schon tragen.
Und das genügt.
Es ist genug.
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