Stefan Hölscher
Rezension von Stefan Hölscher zu G. Wolkenfeld: Sandoasen
Meist grußlos fegen die Mauersegler den Betenden die Kippot von den Köpfen. Verschwinden in fingerbreiten Sekundenhotels, aus Jerusalemstein ohne Applikationen, mit Insektensnackbar.(aus „Jerusalem I“)
Der Himmel auf den Bildern graut nach. Benebelt von Weihrauchschwaden taumelt eine kleine Sünderin zurück in diesem unheiligen Alltag. Die Müllabfuhr nimmt ihr die Vorfahrt. In einer Werkstatt unweit der Geburtskirche schnitzt ein arabischer Junge das hundertste Jesuskind.(aus „Bethlehem“)
Masada
Für den Hibiskus hafte ich nicht. Keine Blüte trägt die Feige. Hundertfach lässt der Mohn seinen Kopf hängen: Grün schaukeln die Kapseln im Wind. Fast schon ein Wunder, dass die Hälse, bindfadendünn, nicht einfach reißen. Den Scherenschnitten der Akazie sind unsere Träume verwandt, den Spuren der Salamander im Sand. Uns, noch am ehesten, ist die wilde Ödnis gemäß. Wir gehören nicht in Gärten voll üppiger Schönheit. Wir kommen aus der Wüste, wo verbrennt, was die Sonne begehrt, und verdunstet, wer seine Körpersäfte nicht bei sich zu halten vermag. Undenkbar von hier: der Wellengang der Levante, die Schneewehengesichter derJerusalemerinnen, die Akupunktur des Himmels. Meine Wirbel konkurrieren nicht mit den Säulen des Westpalastes. Neuland sind meine Gebete. Meine Volljährigkeit ist verjährt: Auf der Morgenseite meiner Erinnerung führt ein Junge in den Perlonstrümpfen seiner Mutter babylonische Tänze auf.
Drei Könige
Der Abend ist müde. Die Nacht
erwacht, und zeigt sich im Sternenkleid.
Der Regen trommelt leise seinLied gegen die Scheibe. Ich schreibe dazumit meinem Zeigefinger ein paar Zeilenauf deine Schulterblätter.
Wir sind unterzuckert. Wir habendes Zaunkönigs Traurigkeit eingeatmet.Geliebt, bis die Lust versiegt. Wir haben gelacht,bis der Körper erschlafft. Fake war die Welt,bevor ich dich traf: Sorge dich nicht, ichübergebe dich nicht dem Gevatter Schlaf.