Steffen Marciniak (Hrsg.):
Tänzer auf dem Seil.
Zum 85. Geburtstag von Ulrich Grasnick
Eine Lyriksammlung
Coverentwurf: Eva Maria Nerling |
Der Seiltänzer
eine Majestät der Lüfte,
empfangen von frischem Lorbeer,
Beifall, Hymne für einen Drahtseilakt.
Sein Balancestab,
ein schwankendes Geländer,
grotesker Halt,
gefährdet vom launischen Seil.
Wer wünschte ihm nicht Flügel,
wenn der Abgrund
dem Rachen eines Wolfes gleicht.
Schritt für Schritt
über dem staunenden Atemanhalten
trägt er seinen Wanderstab,
eigens erdacht,
für den Gang auf des Messers Schneide.
Geboren am 4. Juni 1938 in Pirna, als Sohn des Pharmazierates B. Erich Grasnick und seiner Frau, Thekla Grasnick, geb. Girard, studierte Ulrich Grasnick von 1959 bis 1963 Gesang an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden. Von 1966 bis1973 gehörte er zum Ensemble der Komischen Oper Berlin unter Walter Felsenstein.
Der Gang auf des Messers Schneide führte ihn durch unterschiedliche Gesellschaftssysteme, er musste immer jonglieren, wie ein Seiltänzer auf einem Drahtseil. Wichtiger waren ihm die Natur, das Meer, speziell die Ostsee, die Menschen und natürlich Poesie, Musik und Malerei. Zu der lebensbestimmenden ewigen Liebe zu klassischer Musik und zur Malerei, denen Ulrich Grasnick in vielen seiner Gedichte Stimme gab, gesellte sich schnell die Literatur, speziell die Lyrik, der er bis zum heutigen 85. Geburtstag treu blieb und über den Jubiläumstag hinaus treu sein wird. Namen wie Hölderlin, Bobrowski, Chagall, Picasso, Schmidt-Rottluff u.a. bestimmen Eckpunkte seiner künstlerischen Tätigkeit. Und immer wieder Musik, wiederholt gab es Vertonungen seinerGedichte durch den Komponisten Günter Schwarze. Die persönliche Begegnung mit Marc Chagall in St. Paul de Vence im Jahr 1977 formte seine Inspiration für eine Verbindung von Poesie und Malerei. Viele Gedichtbände zeugen davon bereits im Buchtitel.
Seit 1975 leitet er das Köpenicker Lyrikseminar, half so vielen angehenden Dichtern, jungen Suchenden und erfahrenen Lyrikliebhabern bei ihrem Dichten. Ein besonderes Vermächtnis schuf Ulrich Grasnick mit dem Ulrich-Grasnick-Lyrikpreis, zu dem es alljährlich hunderte Zusendungen gibt. Einige der Preisträger sind in diesem Band mit einem Ulrich Grasnick zugeeigneten Gedicht vertreten: Sigune Schnabel, Carmen Jaud, Gabriel Wolkenfeld, Franziska Beyer-Lallauret, Kathrin B. Külow. Und jedes Jahr freuen sich viele weitere Teilnehmer über den Abdruck ihrer Gedichte in den von Almut Armélin und ihm herausgegebenen Anthologien zum Wettbewerb.
Zusammen mit dem peruanischen Dichter José Pablo Quevedo begründete Ulrich Grasnick 1996 die Cita de la poesia, eine Dichterbegegnung mit deutscher und spanischsprachiger Lyrik. Er wurde mit der goldenen Medaille des Peruanischen Schriftstellerverbandes „Haus des Peruanischen Dichters“ (Lima) ausgezeichnet und erhielt die Ehrenmitgliedschaft. Auch im Namen von Vielen möchten wir Dichter dieser kleinen Lyriksammlung heute Danke sagen für alles, was uns die Begegnungen mit dem Jubilar gegeben haben, und herzlich zum 85. Geburtstag gratulieren. Vielleicht mag dieses Buch animieren, zum 90. einen noch breiteren Kreis für eine neue Jubiläums-Anthologie zusammenzubekommen.
Steffen Marciniak
Inhalt:
Gabriel Wolkenfeld: Für Ulrich Grasnick
Franziska Beyer-Lallauret: Reiselied für Ulrich Grasnick
Mary Jo Fakitsa: Meine Sonne
Patrick Hattenberg: Unbeschrieben; Noch.
Steffen Marciniak: Akrostichon für Ulrich Grasnick / Ostsee
Kathrin B. Külow: vitte, am strand
Leonie Köhler: Das Biotop
Anselm Retzlaff: Zuflucht zum Meer
Carmen Jaud: Für Ulrich Grasnick
Sigune Schnabel: Den Winter habe ich herbeigesungen
Şafak Sarıçiçek: Haiku für Ulrich Grasnick
Jürgen Polinske: Begegnung
Günther M. Bach: Transformationen
T.G. Vömel: Für Ulrich Grasnick
Renate Maria Riehemann: Mädesüß
Martin A. Völker: Abglanz / Kerwei
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