Verlag der Neun Reiche — Lyrik Edition NEUN — Lyrik — Prosa — Anthologie
Donnerstag, 18. April 2024
Lyrik:Post der GZL zu Florian Birnmeyer
Linolschnitt: Steffen Büchner |
Müsste ich darauf verzichten, würde mir etwas fehlen, ein Ausgleich, ein kreativer Gegenpol zum Alltag, eine Form, sich in der künstlerischen Arbeit auch mit anderen Menschen zu verbinden, die ähnlich denken und fühlen.
Florian Birnmeyer, geboren 1990 in Nördlingen, studierte Latein und Französisch für Lehramt Gymnasium in Erlangen und Paris. Aktuell Promotion in romanistischer Linguistik in Erlangen und Arbeit als Dozent für Deutsch als Zweitsprache und weitere Fächer in Fürth. Veröffentlichungen als Lyriker in Anthologien und Publikation eines Gedichtbandes („Storchenstolz“, Verlag der Neun Reiche). Rezensent bei dem Literaturblog „Der-Leser.net“ und weiteren Literaturkritik-Seiten (Literaturkritik.de, Lyrikkritik.de).
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Freitag, 29. März 2024
Rezension zu Florian Birnmeyer: „Storchenstolz“
Florian Birnmeyers Gedichtband „Storchenstolz“
Stolz und Demut, Fall und Aufstieg, Morpheus‘ magische Träume, Macht und Ohnmacht schwuler Liebe … Es sind mächtige Gefühle, die der 33jährige Florian Birnmeyer in seinem „Storchenstolz“ aufruft – und zunächst Anleihen macht in der griechischen Mythologie.
Das Wasser
Meiner Nemesis
Säuselt leise
Schleift die Steine
…
(Aus: Im Nass)
Nymphen im Halbschatten und lüsterne Bacchanten, Orpheus, der Eurydike erneut „ans Ewige verliert“ – da wird viel Personal aufgefahren, das metaphorisch Melancholie transportiert und Sehnen, das Angst vor der Rachegöttin beklagt und drängend nach Heimat ruft:
Die Seelen
Wandern
Wie Nachen
Auf dem Fluss
Des Lebens.
…
So unversehrt
Im Tiefsten
Sehnsuchtsvoll
Nach Einkehr bittend
Zur Heimat hin.
Einheit.
So.
(Aus: Unter der Weide)
Eine charmante Eigenart übrigens: Dieses „So.“. Es beeendet jedes der 27 Gedichte. Man kann es als Trotz lesen, als Triumph – oder schlicht als selbstbewusstes Statement. Hier hat jemand seinen Standpunkt gefunden und tut ihn der Welt nun kund. (Und kommt sogar ohne Ausrufezeichen aus.)
„Neun Gedichte aus antiker Zeit“ hat Birnmeyer, den ersten Teil des schmalen
Bandes genannt; „Neun Gedichte vom Liebeserwachen“ heißt der zweite.
Gleich eingangs wird offenbar ein schwules coming out geschildert;
Erleichterung klingt durch und Erschrecken.
Du hast ihn erblickt,
bist nun,
wo zu sein dir richtig dünkt,
In deinem Land der Sinne,
Gefühl der Ruhe
und des Aufruhrs zugleich.
(Aus: Ruhe und Aufruhr)
Ein veraltetes „dünkt“ irritiert an dieser Stelle – wie an anderer Stelle „dräuend“, „gülden“. Eine Sinnhaftigkeit erschließt sich hier nicht. Diese tritt in „Vampirdomizil“ allerdings unverblümt und witzig zutage:
„Wer hat den besseren
Biss?
Wer von uns hat
Mehr Jünglinge gerissen?“
Florian Birnmeyer ist in „Storchenstolz“ kein Mann vieler Worte. Opulenz ist seine Sache nicht. Eher Bescheidenheit, die knappere Form; und wo es bei anderen glüht, ist es bei ihm eher ein Glitzern, hell, hartnäckig und beständig. So wie im namengebenden „Storchenstolz“:
Du meine Knospe
Noch leicht geschlossen
Wundersam daran genippt
Im Morgentau des
Ersten Tages –
„Neun Gedichte vom Fallen und Wiederaufstehen“ heißt der dritte Teil. Es geht um Dankbarkeit angesichts gelebter Liebe. Um den Tod eines Freundes, der beklagt und dennoch mit innerem Frieden angenommen wird.
In gleich drei Gedichten klingt das Thema Epilepsie an.
Weiße Schäume stoßen hervor
Ergießen sich um deinen Mund.
Sie knospen auf
Wie eine salzige Blüte
Die sich beständig vermehrt.
(Aus: Rückkehr ins Leben)
Das letzte Gedicht heißt „Aufbruch“. Es nimmt das Storchenbild wieder auf und ist Appell – könnte angesichts neu erblühender queerer Diskriminierung auch als politischer Appell gelesen werden:
…
Da erhob sich der
Storch aus Ostwest
In die Lüfte
Flog durch die Weiten
Getaucht in ein Türkis des Himmelsblau
In seiner weißrosarotschwarzen Anmut.
Lasst uns dasselbe wagen –
So.
„Storchenstolz“ ist erst kürzlich im Verlag der 9 Reiche – Lyrik Edition NEUN – erschienen. Der Name ist Programm: Je dreimal neun
Gedichte umfasst jeder Band der schön gestalteten Reihe, kongenial ergänzt
durch Linolschnitte von Steffen Büchner. Der in Nürnberg lebende Florian
Birnmeyer studierte Frankoromanistik und Latinistik an der Uni
Erlangen-Nürnberg und an der Sorbonne in Paris. Er arbeitet als Dozent,
Literaturkritiker und Rezensent und promoviert in romanistischer
Sprachwissenschaft.
Seit mehreren Jahren betreibt er einen Literaturblog.
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